Lebensphasen von Jessen Peter Willers:
Wohnort: | 1803 in Flensburg, Große Straße Oster Seite Nr. 433. |
Beruf: | Psychiater in Kiel, Dr. phil. h.c. (Kiel 1870). |
Notizen zu Jessen Peter Willers:
aus Deutsche Biographie im Internet: (Schipperges, Heinrich, "Jessen, Peter“, in: Neue Deutsche Biographie 10 (1974), S. 423 f. [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd124906737.html)
Jessen besuchte nach einem Medizinstudium in Berlin die Universitäten Göttingen und Kiel. Zur Zeit seiner Kieler Dissertation (1820, De digitalis purpureae viribus usuque medico) war er bereits als Arzt für die neu errichtete Irrenanstalt in Schleswig vorgesehen, zu deren Organisation er Anstalten in England und auf dem Sonnenstein studierte. 1833 wurde er Titular-Professor in Kiel, wo er nach Niederlegung des Direktoramtes (1845) Vorlesungen über Psych. Heilkunde hielt. Am 1.10.1845 gründete J. eine private Irrenanstalt bei Kiel, die er in Erinnerung an seine Berliner Lehrer Hörn und Heim "Hornheim“ nannte. Auf der 24. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte in Kiel zählte er zu den Mitbegründern einer Sektion für Psychiatrie.
J. versuchte zeitlebens, die wissenschaftlichen Standpunkte in der Psychiatrie auf einer klinisch-empirischen Basis, unter Einbeziehung einer wissenschaftlichen Psychologie, zu vertreten. Im Mittelpunkt dieser Bestrebungen stehen sowohl seine Ideen zu einem Kreislauf der psychischen Lebenstätigkeit wie auch die Studien zu einer Entwicklungsgeschichte der psychischen Krankheiten. In der Therapie dominierte dementsprechend nicht die Behandlung einzelner Zustände, sondern eines ganzheitlichen Krankheitsprozesses, dem J. am ehesten durch Diät und physikalische Therapie, dann aber auch durch Arbeit, Erziehung und gezielten Unterricht beizukommen glaubte. Eine ausschlaggebende Rolle spielte bei allem der soziale Aspekt, da kein Leidender so sehr "der Geduld und Nachsicht, der Liebe und Teilnahme seiner Umgebungen“ bedürfe als der Gemütskranke.
Das wissenschaftliche Programm J.s findet bereits in einer frühen Schrift über "Beiträge zur Erkenntnis des psychischen Lebens im gesunden und kranken Zustande“ (1831) seinen Niederschlag; auf der Basis eines psychisch-physischen Parallelismus postuliert J. den Kreislauf der Nerventätigkeit, wie auch sein Hauptwerk noch dem "Versuch einer wissenschaftlichen Begründung der Psychologie“ (1855) gewidmet blieb. 1833 publizierte J. seine "Ärztlichen Erfahrungen in der Irrenanstalt bei Schleswig“, zu deren Strukturierung er architektonische Elemente aus dem Wiener Narrenturm, dem Panopticon Benthams und dem Reformbaustil von Esquirol herangezogen hatte. Einen zusammenhängenden Überblick über sein Wirken konnte J. auf der Naturforscherversammlung zu Kiel (1846) geben, wo er "Ueber die in Beziehung auf Geistes- und Gemüthskranke herrschenden Vorurtheile“ referierte (vgl. Allg. Zs. f. Psychiatrie 4, 1847, S. 1-8). Hier bekennt er, in 25 Jahren über 1 500 Irre|behandelt zu haben, wobei er unter ihnen gelebt und mehr mit ihnen verkehrt habe als mit Vernünftigen. Geistes- und Gemütskrankheiten seien entgegen dem allgemeinen Vorurteil nicht mit moralischen Gebrechen zu verwechseln und daher wie andere Krankheiten zu behandeln. Jede psychische Krankheit beruhe wesentlich auf einer gestörten Funktion des Gehirns. Auf einer späteren Naturforscherversammlung in Hannover (1865) berichtete J. über "Verlust und Störung der Sprache" sowie "Ueber das Verhältnis des Denkens zum Sprechen“, wobei er die Theorie eines doppelten, alternierenden Bewußtseins herausstellte. Den klinischen Pragmatiker, der psychologische Kenntnisse allein für nicht ausreichend hält, verraten auch seine besonnenen "Thesen zur gerichtlichen Psychiatrie“ (in: Allg. Zs. f. Psychiatrie 22, 1865, S. 355). Seinem Freunde Flemming ist ein Spätwerk mit dem bezeichnenden Titel "Physiologie des menschlichen Denkens“ (1871) gewidmet.