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Lambrecht

Lambrecht Edelgard Öffnen Blatt

Flensburg, Ernst-Jessen-Weg 30
* ... in Stettin
† 19.09.1970 in Flensburg
Vater: Lambrecht Oskar
Lebensphasen von Lambrecht Edelgard:
Wohnort:bis 1970 in Flensburg, Ernst-Jessen-Weg 30.
Notizen / Bilder zu Lambrecht Edelgard:
geb. 1926
aus dem Flensburger Tageblatt vom 05. Jan. 2012:
Eine Liebe von Flensburg nach Madrid
Filmreife Lovestory in der Nachkriegszeit/ Spanischer Arzt hilft befreundetem Schriftsteller, seine Liebesgeschichte aufleben zu lassen
Flensburg/Madrid
Romeo und Julia, Tristan und Isolde oder Rhett Butler und Scarlett O'Hara ("Vom Winde verweht“) – alles Liebesgeschichten mit einem tragischen Ende. Auch Jose Antonio Abella war vor kurzem auf der Suche nach so einer Geschichte. Der Arzt aus Madrid wollte keine eigene Lovestory finden, sondern die seines befreundeten Schriftstellers Jose Fernandez Arroyo recherchieren, die sich im Flensburg der Nachkriegszeit abspielte.
Als Kriegsflüchtling kam Edelgard Lambrecht 1946 mit ihrer Schwester Sigrid aus dem zerstörten Stettin nach Flensburg, um bei ihrem Vater zu leben. Da beide Schwestern an einer Muskelkrankheit litten, war ihr Leben sehr gezeichnet. An Liebe war nicht zu denken.
Der junge Poet Jose teilte nicht das gleiche Schicksal wie Edelgard. Dennoch sprachen sie sich aus der Seele. Der Dichter, Maler und Bildhauer aus Manzanares, in der Nähe von Madrid, nahm 1948 an einem Projekt teil, das Brieffreundschaften in ganz Europa anzettelte. Edelgard sah in diesem Projekt ebenfalls eine Gelegenheit sich der Welt zu verschreiben, die sie selbst wohl nicht mehr sehen würde. So entwickelte sich eine innige Beziehung per Post.
Edelgard schrieb Jose im Juni 1949, dass sie "eine Seele in zwei Körpern“ seien und dass sie "trotz aller Distanz, immer in enger Verbindung miteinander sind“. Jose erwiderte im Oktober 1950 sogar schon mit einem schriftlichen Heiratsantrag. Doch wie sollte das funktionieren?
Jose wartete noch drei Jahre, aber am 5. August 1953 hielt es ihn nicht mehr in Spanien. Er begab sich per Anhalter auf die über 2000 Kilometer lange Reise nach Flensburg. Am 20. August erreichte Arroyo endlich sein Ziel. Das Angesicht seiner geliebten Edelgard konnte er aber noch nicht erblicken, denn mittlerweile war sie zusammen mit ihrer Schwester in das damalige Stadtkrankenhaus in Schleswig eingeliefert worden. Eine schwere Operation stand ihr bevor.
Edelgards Vater begleitet Jose auf dem Weg ins Krankenhaus. Als der Dichter die Zimmertür im Krankenhaus mit der Nummer zehn öffnet, fallen seine Augen sofort auf Edelgard. "Ich kann diesen Eindruck nicht beschreiben“, schreibt Jose, "keine Sprache hat dafür einen Ausdruck.“ Lange reden die beiden auf Französisch.
In der kurzen Zeit, die die Brieffreunde miteinander verbringen, erfährt ihre Liebe zwar keinen Abschwung, aber schon 1950 prophezeite Edelgard ihrem Jose in einem Schreiben, dass sie nicht auf ewig füreinander bestimmt seien. Jose wäre schon für jemand anderen angedacht, was der Spanier zunächst nicht wahr haben mochte. Aber nach seiner Abreise aus Schleswig zwei Wochen später, antwortete Edelgard nicht mehr auf seine Briefe.
Jose verlor seine Liebe für Edelgard niemals. Er malte Porträts als Ölgemälde und widmete ihr zwei komplette Prosawerke, die den Schriftverkehr der beiden poetisch festhalten. Später heiratete Jose eine junge Spanierin, die auch schon vor seiner Reise nach Flensburg in sein Leben getreten war. Vielleicht ahnte Edelgard den Verlauf der Dinge schon vorher.
Edelgard Lambrecht verstarb am 19. September 1970 im St. Franziskus-Hospital in Flensburg. Jose Fernandez Arroyo lebt in der Provinz von Madrid und sucht weiterhin nach Informationen zum Leben seiner Edelgard nach ihrem Treffen im Jahr 1953. Jose Antonio Abella hilft ihm dabei, wo er nur kann. So hat er auch nach seinem Besuch in Flensburg eine E-Mail Adresse eingerichtet, wo ihm und Jose Arroyo Hinweise zu Edelgard und ihrer Familie gegeben werden können: edelgard.lambrecht@gmail.com
Frederic Wanders
Bild: b_57957_edelgard_s_30l.jpg
Bild: Buchseite 30 von Jose Fernandez Arroyo
Auszüge aus dem Buch, übersetzt aus dem Spanischen von Dr. Ulrich Reetz:
Auszüge aus den Briefen von Edelgard:
Flensburg, 6. April 1949:
Und jetzt werde ich Dir ein wenig von meinem Leben und von meiner Familie erzählen. Du weißt ja, dass Stettin meine Heimatstadt ist. Dort verlor ich alles aufgrund des Krieges. Meine junge und reizende Mutter, meine zwei geliebten Brüder und meine Heimat.
Meine Mutter, meine Brüder und andere, nahe Verwandte, starben an Typhus, an Hunger und Schmerz im März des Jahres 1946 in Stettin. Es war ein großes Wunder, dass meine Schwester und ich -auch wir hatten schwer Typhus- jenem Schrecken entfliehen konnten.
Aber unsere Gesundheit hat sehr gelitten, unsere Muskulatur war sehr geschwächt (Mein Gott, oft fand ich mich so verzweifelt, dass ich mir gewünscht hätte bei meiner Mutter und bei meinen Geschwistern zu sein. Ach, das Leben ist so erbarmungslos hart...). Im April 1946 vertrieben die Russen und Polen meine Schwester und mich aus Stettin. Wir hatten niemanden, bis wir im Juni unseren Vater in Flensburg wiederfanden ...

Flensburg, 3. August 1949:
Du bedauerst, dass Du kein Photo von mir hast, auf dem ich lache (mein Lächeln kennst Du aber). Ach, Jose', ich habe das Lachen vergessen und ich glaube, dass ich es nie mehr lernen werde! Ja, ja - die Zeit unter den Russen und Polen... Ja, lieber Jose', wenn Du bei der Abenddämmerung auf der Terrasse die Sterne siehst, dann sollst Du daran denken, dass ich dieser helle, glänzende Stern bin, von dem Du sprichst. In solchen Momenten lässt Du Deine Gedanken und Deine Träume über die helle Sternenbrücke zu mir kommen. Und ich werde sie erwarten und wenn sie bei mir sind, werde ich mich ans Klavier setzen und meine Musik wird eine andere, zarte und unsichtbare Brücke sein und sie wird Dir meine Gedanken überbringen. So werden wir immer - trotz aller Distanz- in enger Verbindung miteinander sein. Wir werden wirkliche Freunde sein und jeder von uns wird Freude und Leid des anderen wahrnehmen und es wird sein, wie wenn in unserem Körper eine einzige Seele wohnt.

Flensburg, 9.Juli 1949:
Die Vorstellungen und Meinungen, die ihr Spanier voe meiner Heimat habt, sind wunderbar und tröstlich. Und ich danke dafür von ganzem Herzen. Du kannst Dir nicht vorstellen, wie mich diese Worte erfreut haben. Sie waren wie eine Erleichterung , wie eine zarte Liebkosung in der tiefen Wunde des deutschen Herzens. Ach, Jose', ich leide unbeschreiblich an dieser Wunde...!

Flensburg, 18.August 1949:
Wenn in stiller Stunde Träume mich umwehen,
bringen frohe Kunde Geister ungesehen.
Reden von dem Lande meiner Heimat mir,
hellem Meeresstrande ,düsterm Waldrevier."
(1.Strophe des Pommern-Liedes)

Ist es nicht ein wunderschönes Lied unserer herrlichen Heimat Pommern? Möchtest Du, dass ich Dir davon ein wenig erzähle? Ja? Nun gut, hör zu. (Jetzt stelle ich mir vor, dass Du und ich auf der Terrasse des Gartens unseres Hauses in Stettin sitzen, die Strahlen der untergehenden Sonne lassen den Wein in unseren Gläsern funkeln, der Abend verströmt Romantik , der Gesang unendlich vieler Vögel erfüllt die Luft ... und Deine Augen glänzen und ich weiß warum!).
Wie eine Muschel die Perle umhüllt, so umgibt meine Heimat den deutschen Osten. Ja, wie eine Perle: so ist mein Pommern, edel, kostbar, glänzend in seiner Schönheit, verborgen den weltlichen Augen. Vielleicht kannst – ein Sohn des leuchtenden, blühenden und wunderbaren Südens - Dir gar nicht die verschwiegene, zurückhaltende, raue und ruhige Schönheit meiner Heimat vorstellen. Aber ich glaube, wenn Du könntest und sie kennen lernen würdest, dann würde sie Dich erfreuen und diese Freude würde Dich nicht mehr loslassen. Pommern bedeutet: die schönsten Wälder, die kostbarsten Legenden mit leiser Stimme gesprochen, die wunderbar glitzernden Seen, die romantischen Weideflächen, die ständig murmelnden Bäche, die Obstbaumfelder, die prächtigen Herden, die reichen Dörfer und Städte, die Grundbesitzer, die ihr Land bearbeiten, die Oder -groß und prächtig-, die einfach herrliche Ostsee mit ihrem mildem Wasser (sie hat wenig Salz und keine Gezeiten), ihre weißen, glänzenden Strände, ihre Dünen, Wälder, traumhafte Inseln, ihre verborgenen, großen Buchten , ihr berühmter Bernstein... Pommern bedeutet Fruchtbarkeit, Üppigkeit, zurückhaltende Menschen, etwas rau mit einem Herzen, das sich wenigen Menschen öffnet, aber dann eine unbedingte Treue bewahrt und fordert. Schade, dass sie die Treue dieser reinen und starken Herzen zerstört haben! Wir tragen in unseren Herzen den Stolz und die deutsche Treue, wir verachten die Feigheit, die Heuchelei und die Untreue und wir sollten uns selber verachten, wenn wir unsere rechten Gefühle, unseren Stolz und unsere Treue verleugnen würden; auf diese Weise haben wir schon immer Deutschland die besten Staatsdiener und die besten Soldaten gegeben aber auch weltberühmte Gelehrte und Künstler. Vorausgesetzt, dass in unseren Adern unvermischtes Blut fließt, vorausgesetzt, dass unsere lebenswichtigen Grundlagen die Industrie, die Arbeit, die Treue, der Mut, die Kraft,der Stolz und ein unbesiegbarer, froher Humor da sind, wird es möglich sein,dass wir zurückkehren zu dem, was wir waren und eines Tages wieder sein werden.

Flensburg, 13.Mai 1950:
Heute, Jose', liebst Du mich und ich danke Dir dafür von ganzem Herzen. Aber, trotzdem, eines Tages wirst Du eine zauberhafte, junge Spanierin lieben und Du wirst an mich denken, an die junge Deutsche, mit einem träumenden Lächeln. Du wirst an mich denken, wie man sich an einen schönen Traum erinnert. Nur Deine Gedichte werden dann noch von Deiner Angst und Deiner heimlichen Liebe zu mir erzählen. Und, trotzdem, es gibt eine Sache, bei der ich völlig sicher bin: Du wirst mich niemals vergessen und ein Teil Deines Herzens wird immer mir gehören!

Flensburg, 4. November 1951:
Innerhalb einiger Tage werde ich neuerlich Flensburg verlassen, um mich einer vierten und ernsten Operation zu unterziehen: Eine Muskeltransplantation im oberen Teil des Rückens (Sigrid hat diese OP gerade überstanden. Es geht ihr noch nicht sehr gut, aber sie vertraut darauf, dass sie sich bald erholen wird, so, dass sie nach Flensburg zurück kehren kann).

Auszüge aus den Briefen von Jose':
11.Oktober 1950:
Ich kann die Bitte von Edelgard nicht erfüllen noch acht Wochen zu warten, um meine Liebe zu ihr auf die Probe zu stellen. Ich habe in den vergangenen Tagen viel darüber nachgedacht und ich glaube, dass ich in meiner Entscheidung sicher bin. Gerade heute habe ich ihr einen langen Brief geschrieben, in dem ich ihr ganz offen und aufrichtig meine Liebe bekenne, ohne Vorbehalte, und ich bat sie, dass wir uns schon ernsthaft und formal unsere Beziehung als Braut und Bräutigam versprechen sollten. Was wird sie antworten? Wie wird sie meine Entscheidung auffassen? Wird sie sie akzeptieren? - Es ist merkwürdig. Jetzt merke ich, wie das Leben uns Dinge vorgeben wird, deren Konsequenzen wir unmöglich vorhersehen, noch nicht einmal vermuten können. Wie könnte ich mir vorstellen, mich in ein Mädchen zu verlieben, das ich gar nicht kenne; in ein imaginäres und wunderbares Wesen, das für mich aus einigen Briefen und Photographien besteht, die mein Denken zu verhexen scheinen, wenn ich sie betrachte? Oder sollte alles reine Einbildung sein? Jedenfalls für mich, ist es etwas reales das mich glücklict macht und gleichzeitig eine Vorstellung und Hoffnung in meinem Leben aufrecht erhält, für die es wert ist, zu kämpfen und darauf zu vertrauen.

18.August 1953:
Es ist schon Tag, als ich aufwache. Alles ist ruhig und in ein neutrales, graues Licht eingehüllt: Der Nebel siebt das Licht des Tagesanbruchs und verwischt die Umgebung. Es ist sechs Uhr morgens. Ich bemerke beim Aufstehen die tauben und schmerzhaften Glieder und ich springe ein wenig und mache Gymnastik, um neue Energie zu bekommen. Danach, erneut auf dem "durchwühlten Bett" sitzend, esse ich ein leichtes Frühstück mit einem guten Schluck Wasser, das der Nachttau in der Feldflasche erfrischt hat. Schließlich, es ist alles von neuem bereit an dem noch jungen Tag, begebe ich mich auf die Straße mit dem Ziel deutsche Grenze. Der Tag zieht herauf, aber der Nebel ist weiter dicht und schwer. Über fünf Meter hinaus kann man nichts erkennen. Man geht wie in einer Wolke. Zu dieser frühen Stunde fahren nur ein paar Autos vorbei. Es ist wie eine plötzliche, geisterhafte Erscheinung-. für einen Augenblick tauchen aus dem Nebel die gelben Scheinwerfer auf und eine Sekunde später verlieren sich die roten Heckleuchten im Nebel, in dem sie beim Vorüberfahren ein flüchtiges, dumpfes Summen des Motors zurücklassen.
Glücklicherweise, nach einer Weile des Wartens, hält ein Auto und nimmt mich mit, direkt nach Düsseldorf. Aber während der Fahrt muss ich etwas sagen und mein liebenswürdiger Fahrer spricht kein Französisch und ich weiß nicht ein Wort englisch. So muss ich auf alle mir mögliche Mittel zurückgreifen, um ihm zu erklären, wer ich bin, von wo ich komme und welches das Ziel meiner Reise ist. Und noch mehr Dinge, die freundliche Leute, die mich in ihrem Wagen mitnehmen, wissen möchten. Und ich glaube, dass ich es irgendwie erreicht habe.
Während der Wagen an dem grauen und bedrohlichen Nachmittag weiter fährt, denke ich: "Nun, jetzt bin ich schon in Deutschland. Unglaublich! Bin ich es wirklich, der hier in diesem Auto fährt. Stimmt es, dass ich jedes mal näher bei dem bin, was während fünf Jahren mir wie ein unwirklich Traum erschien ...?"

21. August 1953:
Flensburg. Der neue Tag bringt die Begegnung mit dem Leben. Der Morgen vergeht mit langem Warten. Hinter der Fensterscheibe des roten Wohnzimmers (Salon) regnet es leise und hartnäckig. Der Himmel hat eine bleigraue Farbe und der Wind weht kühl aus dem Norden. Das Mittagessen vergeht schweigend. Die Kusine von Edelgard (eine Dame von etwa vierzig Jahren, die im Hause arbeitet (Ilse L.)), Herr Lambrecht und ich essen in Gedanken versunken. Bald kommt die Stunde des Aufbruchs. Das Auto ist schon vor der Türe und es nähert sich das wirkliche Erwachen aus dem Traum, der lange erwartete und gefürchtete Moment. Wir fahren nach Schleswig. Die Straße bringt uns mit einer unvermeidbaren Schnelligkeit näher. Die Landschaft ist grün, im Grau des anhaltenden Regens gebadet. Ich schaue abwesend auf die Scheibenwischer in dem gleichbleibenden Takt, die auch die sonderbaren Befürchtungen meines Geistes zu säubern scheinen. Entlang der Straße gibt es kleine Häuser mit Gärten. Und alle Gärten sind voll mit Blumen. Auch wir bringen Blumen für sie mit. Es ist merkwürdig zu beobachten, dass hier fast jeder immer einen Strauss Blumen mitbringt, so, als wäre es ein obligatorischer Ritus bei Besuchen. Trotz des Regens ist alles wunderschön und fast heiter.
Wir kommen nach Schleswig. Die Dinge ereignen sich zu schnell. Eine sonderbare und tiefe Emotion hält mich in Gedanken woanders versunken. Ich denke fortwährend an sie, die ich schließlich sehen werde. Und es ist, als ob ich auch ihre Gedanken wahrnehmen würde. Es ist das Erwachen. Es ist die furchtsame und angstvolle Realität. Wir sind schon die Treppe hinaufgestiegen. Es sind nur noch Minuten, Sekunden, Der Vater von Edelgard öffnet die Tür des Zimmers mit der Nummer 10. Er tritt ein und die Tür bleibt geöffnet und mit einer Geste lädt er mich ein, herein zu kommen. Und dann fühle ich gewaltig die Angst. Und ich wünsche plötzlich, dass ein schnelles Erwachen mir zeigt, dass alles ein Traum war... Ich würde am liebsten fliehen...
Aber ich muss eintreten... Noch ein paar Schritte mehr und ... In dem Raum gibt es zwei gleiche Betten: Sigrid im linken, Edelgard im rechten... Ich erkenne sie sofort und bemerke, wie ihre, jetzt auf mich gerichteten, eindrucksvollen, unruhigen Augen mich vielleicht mit derselben Überraschung und Ungläubigkeit anschauen, wie ich sie ansehe. Es ist unmöglich. Ich kann diesen Eindruck nicht beschreiben. Die Sprache hat dafür keine Ausdrücke. Alles bleibt jenseits der Macht des Wortes. -Langsam gehe ich bis zum Rand des Bettes. Ich nehme ihre Hand und drücke sie fest mit meinen Händen Unsere festen Blicke — wie Soldaten in einem einzigen, gemeinsamen Blick- möchten alles sagen. Die Worte entschwinden mir, es ist unmöglich. Sogar die Stimme versagt in meiner Kehle... Lange schauen wir uns an -ihre Hand in meinen Händen- und für einen langen Moment existiert alles andere nicht für uns. Aber die Wirklichkeit kristallisiert sich langsam heraus. Sigrid ... in dem Bett auf der anderen Seite sieht mich auch fest an und beobachtet mich. Ich ergreife auch ihre Hand. Ihre Augen sind sehr durchdringend. Das ganze Leben ist in ihnen: ihre Augen reflektieren eine wunderbare Kraft; alles übrige ist zerbrechlich.- Konfuse Gefühle drehen sich im Innern meines Geistes. Die Realität — wie immer ist sie destruktiv und unbarmherzig und etwas Zerbrechliches bricht leicht. Es ist ein Erwachen, weder traurig noch ernüchternd sondern vielleicht untröstlich. Aber der Traum kämpft, um nicht zu zerrinnen und um diese nicht zu beantwortende Realität mit Sanftheit zu absorbieren.
Sie sprechen und sagen Dinge, die ich nicht verstehe. Man bietet mir einen Stuhl neben Edelgard an. Noch ist es mir nicht möglich ein einziges Wort zu artikulieren. Der Eindruck war für mich zu überwältigend. Aber ich kann meine Augen nicht von den ihren lassen. Es scheint, dass ich nur auf diese Weise fähig bin, das, was ich fühle, auszudrücken.Und sie versteht es. Was sagt man? Was sagt sie? Was soll ich sagen? Es ist unmöglich etwas zu sagen. Die Dinge verlaufen zu schnell und mein Herz ist verstört.
Jetzt sind wir allein - mit Sigrid im Bett nebenan. Sie fragt mich irgendwelche Dinge – ich sage etwas dazu. Aber manchmal ist es nicht leicht sich mit unserem vermittelnden Französisch zu verstehen. Sie beherrscht das Französische besser als ich. Aber sie spricht mit einem deutschen Akzent, an den ich mich noch nicht gewöhnt habe. Aber in Wirklichkeit ist es besser, als nichts zu sagen. Ich nehme ihre Hand in meine Hände und streichle sie schweigend. Ich weiß, dass sie in meinen Augen dieses konfuse Gefühl von Zärtlichkeit, Zuneigung, Mitleid und Angst, abliest, das meinen Geist verstört. Sie sagt, mit der Stimme eines schutzlosen Wesens, dass meine Augen klar und meine Hände schön. sind. Ich sehe ihre großen Augen, fest, dunkel, wie verloren in der Tiefe der Dinge; ihre Stirn gewölbt und glänzend, ihre Augenringe, ihre runden Wangen,ihre kleinen, kindlichen Lippen, ihr kleines Kinn, ihr rötliches Haar über dem Weiß des Kopfkissens... Mir scheint sie ein Kind, ein schwaches und zartes Wesen. Ihre Hände sind klein, schlank und knochig, unruhig, blass und kalt. Und ich streichele sie immer wieder, zart, leidenschaftlich, mit einer unendlichen Zärtlichkeit die mich nach und nach befällt, mein ganzes Sein überschwemmt wie eine Welle und ich fühle den unendlichen Wunsch sie zu lieben, sie zu beschützen, sie glücklich zu machen ...

25.August 1953:
Heute Nachmittag war ein Besuch im Krankenhaus nicht möglich. Der Vater von Edelgard hat mich auf einem Rundgang durch Flensburg begleitet, während er eine Möglichkeit des Transportes für meine Rückkehr in die Wege geleitet hat. Er hat für mich einige Photos von bestimmten Ecken der Stadt gemacht und mich schließlich auf einen Spaziergang durch die Marienhölzung mitgenommen. Gott im Himmel, was für ein wunderbarer Wald! Was für ein Gefühl hat dieser Wald in mir hervorgerufen! Nie in meinem Leben habe ich so hohe und majestätische Bäume gesehen, noch habe ich eine so gewaltige Emotion empfunden gegenüber dem, was eine Kathedrale der Natur hätte sein können. Diese Stimmung aus Schweigen, Größe und eindrucksvollem Geheimnis hatte ich bis jetzt an keinem anderen Ort gefunden. Ich glaube, es wäre der Mühe wert, in Flensburg zu wohnen, allein, um die Möglichkeit zu haben, ganz oft diesen Wald zu besuchen.
Bild: b_57957_edelgard_umschlag_2.jpg
Bild: Umschlagseite des Buches von Jose Fernandez Arroyo
Medien zu Lambrecht Edelgard:
Bild: 004857_edelgard_lambrecht_f.jpg
Bild: Edelgard Lambrecht
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Bild: Buchtietel über Edelgard (in spanischer Sprache) von Jose Fernandez Arroyo
Bild: b_57957_edelgard_titel_l.jpg
Bild: Widmung von Autor Jose Antonio Abella
Bild: b_57957_edelgard_umschlag_3.jpg
Bild: Buchumschlag
Signatur: 57957
Forscher: © /http://www.Adelby.com/ Helmut Martensen, 24943 Flensburg; EMail: Martensen@t-online.de

 
Ahnentafel
4 Lambrecht NN
* (s) 1875
oo
8 ...
9 ...
2 Lambrecht Oskar, Vorstand der pommerschen Landsmannschaft
* 09.07.1902 Pommern † 05.02.1976 Handewitt
oo
1 Lambrecht Edelgard
* ... Stettin † 19.09.1970 Flensburg

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Stand: 24.12.2013 12:51:26
Erstellt mit dem Genealogieprogramm GFAhnen 13.0

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