Lebensphasen von Brodersen Georg Wilhelm:
Beruf: | Lotse in Kalifornien, Bohlsmann in Groß Tarup. |
Beruf: | Bohlsmann in Groß Tarup/Flensburg. |
Notizen zu Brodersen Georg Wilhelm:
aus der Chronik Brodersen 1935:
Georg Wilhelm Brodersen , Hofbesitzer in Groß Tarup.
* 1829, 13.07. in Flensburg
oo 1863, 23.10. mit Anna Magdalena Clausen, Tochter des Hofbesitzers Martin Clausen und der Christine Marie Henningsen aus Gammelbygaard, geb. 1843 23.11. in Tarup, gest.1917 17.10. in Tarup
+ 1885, 09.01. in Tarup.
Seinen Vornamen erhielt Georg Wilhelm nach Pastor Georg Wilhelm Valentiner, 1797-1836 in St. Marien.
Georg Wilhelm Brodersen hat ein sehr interessantes Leben geführt.
Über seine Jugend hat er in einer Lebensbeschreibung folgendes niedergelegt "B r u c h s t ü c k e meines Lebens": Wenn Ihr, meine leiben Kinder, Euren Vater auffordert, einige von seinen Erlebnissen zu Wasser und zu Land Euch schriftlich mitzutheilen, so thue ich dieses mit dem grössten Vergnügen. Und solltet Ihr im Leben, so wie ich es gethan, fremde Länder bereisen, andere Nationen, Sitten und Gebräuche kennen lernen, so hoffe ich, dass der liebe Gott auch Euch denselben Schutz verleihen, die Güte und Gnade zu Theil werden lasse, welche Er mir immer erwiesen.
Euer Urgroßvater Johann Friedrich Brodersen *1) war gebürtig in Gangeschild, südliches Angeln, kam indessen vom elterlichen Haus nach Steinberg, wo er eine Witwe, Besitzerin einer Hufe heiratete. Ausdieser Ehe stammt Euer Grossvater selben Namens.
Die Ahnen Euer Urgrossmutter sind weniger bekannt. Selbige war eine geborene Bergitte Paulsen , Nordschleswig oder Jütland, gebürtig in einem Dorfe Vogelsang.
Diese kam nach Flensburg als junges Mädchen, wurde an einen Schiffer, später Captain verheiratet Namens Lempke. Dieser Euer Urgrossvater starb in Englischer Gefangenschaft in Ramsgate an der Themse, wo sein Schiff von den Engländern eingebracht worden war, während des Englisch-Dänischen Krieges.
Aus dieser Ehe stammt Eure Grossmutter, die an J. F. Brodersen aus Steinberg verheiratet wurde. Euer Grossvater war Seemann von Provision. Nachdem mein Vater mehrere Jahre eine kleine Jacht (Schiff mit einem Mast) geführt und auf
Norwegen gefahren, wurden die von ihm commandierten Schiffe immer größer, und wurde wohl der erste Captain von Flensburg. Leider wurde mein Vater in seinem 54. Lebensjahre vom Leben abgerufen. Sein jähes unglückliches Ende
werde ich Euch im Verlauf meiner Erzählung mittheilen.
Und jetzt lieben Kinder, nachdem ich Euch so viel ich konnte und wusste einen kleinen Stammbaum entworfen, will ich versuchen, Euch solche Mittheilungen aus meinem Leben zu schildern, welche mir in Erinnerung geblieben sind.
Vieles ist in Vergessenheit gerathen, und besonders Tag und Datum; ja selbst Jahreszahl, da mein Tagebuch verlorengegangen; infolge dessen konnten vielleicht Irrungen stattfinden (in meiner Erzählung) die Ihr aus diesem Grunde übersehen möget.
Am 12 ten Juli 1831 wurde ich in Flensburg beim Schlossgang (Schlossstrasse) geboren. Meine Eltern wohnten bei meiner Grossmutter. Wir waren 6 Geschwister, nämlich Christine Marie, Bergitte, Hans Christian, Johann Friedrich und Georg Wilhelm. In meinem 6. Jahre starb meine Grossmutter. Das Haus wurde verkauft und meine Eltern mietheten ein schönes, großes Hus in Jürgensby. Das ABC lernte ich bei einem Privatlehrer Christiansen, da dieser sehr lange Beine hatte, nannten wir ihn Chrischan Krai. In meinem 7 Jahre wurde ich in die Schule und Herr Hans Ebsen war Oberlehrer. Diesem braven, guten Herrn können sehr viele jetzt zum Reifen Mannesalter herangewachsene Schüler ihr Fortkommen in der Welt verdanken.
Selbige haben ihm auch auf Adelby - Kirchhof ein recht hübsches Denkmal setzen Lassen. Auch ich, liebe Kinder, verehrte Herrn Ebsen, und selbst in den Wüsten oder Gebirgen Kaliforniens sandte ich ihm Brief zu. Nach langjähriger Abwesenheit in fremden Erdteilen hatte ich die Freude ihn noch lebend zu begrüssen. Friede seiner Asche.
Mit meinem 12. Jahre liessen meine lieben Eltern mir Privatunterricht bei Herrn Schnack, Lehrer an der Nicolai Schule in Flensburg in Rechnen pp erteilen. Englisch erhielt ich bei einem geborenen Engländern Wooddah, in dieser Sprache machte ich gute Fortschritte, welches mir in späteren Jahren von großem Nutzen ward. Etwas Latein hatte ich bei einem Kandidaten Herrn Schinkel. Turnen usw. bei einem alten dänischen Dragoner. Schwimmen konnte ich als 6 jähriger Junge und ein Segelboot regieren konnten alle Jungens früher. Da ich sehr dunkel von Teint, wurde ich der West - Indianer genannt. An meinem Geburtstage gab es EierPudding, muss ja dem zur Folge schon damals eine recht feine Zunge gehabt haben. Einmal bin ich indessen leer ausgegangen, denn mein Hund fraß es.
Die Schulbelustigungen waren wohl dieselben wie jetzt. Theater durften wir recht häufig besuchen, da meine Mutter Sagte: Es bildet. Einst hab ich aber doch Angst bekommen, da habe ich den "Glöckner von Notredamm" gesehen. Wie das Kind geraubt wurde, da kroch ich unter die Bank. Ein ander Mal war Mutter und Schwester Gitte mit im Theater. Denkt Euch, mit einem Mal ertönt der Ruf: Feuer, Feuer, Feuer. Alles stürzte nach den Thüren, Mutter verlor ihr Umschlagetuch und Gitte ihren Schuh. Ich kam mit diversen Rippenstössen ins Freie. Alles war falscher Lärm. Mutter ohne Tuch, Gitte mit einem Schuh und ich mit empfangenen Rippenstössen wieder hinein.
Von unserm Boot und Segelboot muss ich auch erzählen, freilich waren wir mit der Pakulage nicht besonders zufrieden, indem der Segelmacher extra Ordre erhalten, die Segel klein zu machen. Mit diesem segelten wir im Sommer nach dem Strande im Flensburger Hafen um Kies für unsere Fussteige im Garten zu holen. Dieses war ein grosser Spaß und waren die Vorbereitungen enorm. Kaffee wurde am Strand gekocht, und wir führten sonstige Esswaren mit. Im Sommer verdiente ich auch einige Schillinge mit Badegästen, die ich außerhalb des Innenhafens der Stadt hinausruderte nach der Schulzeit. Jetzt werde ich Euch von der Schiffahrt der damaligen Zeit erzählen. Erstens die West-Indienfahrer. Diese Schiffe brachten einmal jährlich große Ladungen Zucker von den dänischen Inseln St. Thomas und St. Criox , denn die Herzogtümer Schleswig-Holstein waren damals unter dänischer Herrschaft. Der Zucker kam hier in großen Tonnen von 1000 und mehr Pfund an. Damals, liebe Kinder, wurde der Zucker aus Rohr gekocht. Ein großer Chemiker entdeckte, dass aus Rüben Zucker fabriziert werden konnte, und wenn auch an Qualität schlechter, so ist der Preis geringer. Die West-Indische Schifffahrt ging in folge dessen zurück. Auch hatten wir in meinen Kinderjahren Schiffe, die weit nach dem Norden segelten, um Seehunde zu fangen, und war dieses auch eine nicht unbedeutende Erwerbsquelle für die Stadt. Auch dieses ist eingegangen.
Ich war ein großer, schlanker Junge geworden und 1844 bei Herrn Lorenzen in Adelby konfirmiert. Wie die meisten Jürgensbyer wurde auch ich Seemann, obschon zum großen Widerwillen meines Vaters. Das schiff, mit dem ich meine erste Seereise machen sollte "Diana", war eine dänische Corwette gewesen, von Andreas Christiansen gekauft und meinem Vater als Captain gegeben. Ich muss nicht erwähnen, dass während des Umbaues des Schiffes in Kopenhagen meine Mutter, Schwester Christine und ich bei meinem Vater waren. Wir hatten in dieser großen schönen Stadt, welche so viele Sehenswürdigkeiten besitzt freudevolle Tage. Ich erinnere, dass das jetzige Tivoli wurde während unseres Daseins eingeweiht.
Wir fehlten bei diesem großen Feste auch nicht. Aber denkt Euch, in dem großen Menschengewühl kam ich von meiner Begleitung ab. Ich mach wohl etwas beklommen ums Herz gewesen sein, es ging aber doch gut. Ich fragte jeden Nachtwächter: Wo ist Amager - Bro, denn hier wusste ich, unser Hotel lag, kam ich auch glücklich dahin.
Im September nächsten Jahres lag Diana, um Waren für St. Thomas einzunehmen in Flensburg. Mein Zeug, ich mag wohl sagen Aussteuer war fix und fertig. In den letzten Tagen wurde der Familie und Freunden "Lebe Wohl" gesagt und fröhlich und ohn Sorge bestieg ich mein Schiff. Anders wars mit Vetter Johannes Nissen, der war nicht ohne Sorge, besonders wie wir Steinberg vorbeisegelten. Das wurde ihm doch zu viel, wie hat der Junge geweint, nein geschrien, wollte wieder an Land. Seekrank war er auch, der arme Kerl. An diesem höchst unangenehmen Übel habe ich nie gelitten, unser Magen war ja auch schon versalzen. Im Atlantischen Meere bekamen wir recht schönes Wetter. Johannes war auch von Sehnsucht und Seekrankheit geheilt. Johannes, sagte ich, jetzt wollen wir unsere Kiste beschauen.
Ihr werdet wohl fragen, liebe Kinder, welche Kiste? Ja, diese Kiste enthielt diverse schöne Sachen als Kuchen, ein Käs, letzteren hatte ich in Tönning geschenkt gekriegt, geräucherte Wurdt und so mehreres. Aber denkt Euch unser Erstaunen, unsere Sorge, unser Ärgernis. Die Kiste war zur Hälfte verschwunden. Klagen durften wir kaum, die Räuber waren natürlich keine anderen als die schändlichen 2 beinigen Ratten (Matrosen).
Die Reise durch das Atlantische Meer war eine sehr angenehme, vom schönsten Wetter begünstigt. Wir warfen eines Nachmittags Anker im Hafen von St. Thomas. Das schiff wurde von kleinen Booten und schwarzen Menschen umringt, die uns ihre tropischen Früchte feilboten. Da nun mein Vater bereits viele Jahre auf St. Thomas gesegelt war, war er auf der Insel sehr bekannt, und bald hörte man sagen, ein Sohn von Captian Brodersen ist mit dem Schiffe und in Folge erhielt ich diverse Apfelsinen oder Bananes gratis. Vater und Bruder Hans waren bereits pr. Steamer angekommen, und kamen beide abends auf das Schiff mich zu begrüßen. Morgen Nachmittag, lieber Wilhelm, sagte Vater mir, ziehst du dein helles Zeug an, und ich werde Captain Meyer, (unser Captain) Ordre gebe, dich an Land zu rudern, wo ich dir viele Bekannte vorstellen werde. Dieses war Wasser auf meine Mühle, wie man zu sagen pflegt. Nächsten Morgen sagte Captain Meyer zu mir, du kannst gleich dabei gehen und ich hübsch waschen und bürsten. Solches that ich denn auch nach meiner Ansicht, es kam aber ganz anders. Und so gings dnn an Land. Zwei Matrosen ruderten und ich ans Steuer. Das Hotel, wo Vater und Bruder wohnten, war bald gefunden, und ich wurde von einem kleinen Negermädchen in Vaters Zimmer geführt. Hans war auch da. Na mein Junge, bist du da, sagte mein Vater, lass mich sehen, dass du uns heute Freude machst. Wenn dir Fragen vorgelegt, antworte höflich und bescheiden, und werde nicht verlegen und linkisch. Wie Vater dieses sagte, bemerkte ich, dass sein Auge, und er hatte ein sehr scharfes, sich verdunkelte. Komm mal hier nahe heran, und dabei setzte er seine goldene Brille in Position. Mir fuhr es in die Beine, er musterte mich von oben bis unten und dabei schüttelte er den Kopf und warf einen Seitenblick auf Bruder Hans. Das ist denn dein schönes Zeug, wovon Mutter mir schreibt, Wilhelm, direkt aus des Schneiders Händen, weshalb haben sie es denn um alles in der Welt nicht gewaschen? Mutter meinte, es wäre schade, die Apperatur auszunehmen, war meine Antwort. Da hat deine Mutter etwas sehr dummes gedacht, der will ich aber nicht zürnen. Was fangen wir aber mit dem Jungen an, sagte er zu Hans. In dieser Positur können wir ihn nicht mitnehmen. Ich weiss Rath, Vater, er ist so groß wie ich, und ich werde ihm eins von meinen Anzügen angeben war bruders Ansicht. Bald stand ich denn wieder meinem etwas strengen aber guten Vater unter den Augen, weiss wie Sahne. Vater schien mit dieser Umwandelung recht zufrieden. Unser erster Besuch galt Hr. Hjerdemaal. Letzterer war an eine Farbige verheirathet, und waren die Kinder Octosoonüs zu nennen. Mit dem Englischen ging es ganz gut, und stieg ich in Vaters estimation um 50 pct. Dänisch konnte ich auch etwas. Die auffallende Ähnlichkeit mit Vater war immer das Erste. Das Schönste Essen und Trinken wurde serviert, und dich hatten einen sehr angenehmen Tag. Bald nach unserer Ankunft wurden Johannes und ich selbst vom Schiffe abcommandiert, um in der Potike (Laden) zu attestieren, d.h. Brief copieren, Waaren auszugeben usw.
Unser Frühstück (12 Uhr Mittag) wurde uns vom Schiffe gebracht, Nachmittags 4 Uhr an Bord. Im Ganzen führten wir ein recht angenehmes Leben während dieser drei Monate, die wir in der Potike zubrachten. Nach verlauf dieser Zeit wurde Diana befrachtet, eine Ladung Tabak im Pernsch auf der Insel Porto Rico zu holen und Nach Hamburg zu bringen. Das Gelbe Fieber herrschte während unseres Daseins furchtbar. Gott sei Dank blieben wir alle verschont. Die Reise nach Hamburg war eine sehr günstige, indem wir am 17. Tage von Pernsch Dover passierten und weiter zwei oder drei Tage Später Hamburg erreichten. Das war eine Freude, liebe Kinder, jung, gesund und Geld in der Tasche. Ohne auf nähere Details einzugehen, amüsierten wir uns prächtig. (Den 28.Oktober 1839/1840?)
Einige Wochen nach unserer Ankunft in Hamburg kamen Vater und Bruder Hans per Steamer von St. Thomas. Anfang Oktober war Diana segelfertig, um eine assortierte Ladung Waaren nach St. Thomas zu bringen. Diese Reise war mein Vater Captain und Hans 3. Steuermann. Lieben Kinder, diese Reise sollte die unheilbringendste Seereise werden, die ich jemals in meinem Leben gemacht. Wohl behalten kamen wir bis 20 oder 30 Meilen ausserhalb des Kanals, wo uns ein sehr heftiger Sturm überfiel.
Den 8. Oktober, als mittags beim Essen in der Kajüte, arbeitete das Schiff furchtbar heftig. Dem Stuhl, auf welchem mein Vater Platz hatte, brachen die Befestigungn, und stürzte mein lieber, guter Vater mit dem Hinterkopf gegen die Seite des Schiffes. Er wurde in seine Kajüte ohne Lebenszeichen eingetragen. Der grösste Schrecken verbreitete sich durch das ganze Schiff. Ich wurde natürlich gleich gerufen. Wie ich bei seinem bette sass, sagte er nur "Glas Wasser". Dieser waren die einzigen Worte, die mein armer Vater sprach, denn nach ein paar Stunden war er bei Gott. Ihr könnt Euch, lieben Kinder, unsere Sorge, unsere Trauer vorstellen. Der erste Offizier (Meyer) war viele Jahre mit Vater gefahren und wurde ganz kopflos. Gleich wurde das Schiff vor dem Winde gelegt um einen englischen Hafen zu machen. Letzteres hatten wir, wenn ich recht erinnere, bereits bevor der Tod Vaters eintrat, gethan. Nächsten Tages liefen wir in Falmouth England ein. Hier wurden dann auch die Überreste unseres seligen Vaters bestattet. Gott habe ihn selig.
Nach Eintritt besserer Witterung setzten wir unsere Reise wieder fort. Meyer übernahm das Kommando des Schiffes. Das Hinscheiden Vaters erregte in St. Thomas grosse Sorge, da er auf der Insel sehr beliebt war. Bruder Hans und Meyer blieben dort, um dort unsere und mehrere Schiffsladungen zu verkaufen. Ich ging mit Diana nach St. Croix, nahm eine Ladung Zucker für Kopenhagen, wo wir denn auch glücklich arrivierten. Um Vaters viele Sachen nach Hause zu bringen, fuhr ich per Dampfschiff mit diesem nach Flensburg.
Leider bricht hiermit die Lebensbeschreibung ab.