Lebensphasen von Heimer Santoscham Thekla Johanna: Konfirmation: | 1915 in Arnis/Schlei. |
Beruf: | Krankenschwester. |
Wohnort: | bis 1982 in Flensburg, Ritterstr. 9. |
Notizen / Bilder zu Heimer Santoscham Thekla Johanna:
Handschriftlich geschriebener Lebenslauf von Santoscham Thekla Johanna Heimer: (geschrieben ca. 1950) Am 24.September 1900 wurde ich als Tochter des Missionars der christlichen Mission Richard Heimer und seiner 1. Ehefrau Thekla geb. Martin in Pudukotah/Indien geboren. Nach langjähriger Tätigkeit musste mein Vater wegen seines Herzleidens nach Deutschland zurückkehren. Er erhielt eine ländlich Pfarrstelle in Thüringen. Im neunten Lebensjahr verlor ich meine Mutter durch eine Lungenentzündung. Nach seiner Wiederverheiratung bewarb mein Vater sich um eine Pfarrstelle in Schleswig-Holstein. In Arnis an der Schlei wurde ich 1915 aus der Volksschule entlassen. Bald darauf kam ich in ein Pensionat nach Malente Gremsmühlen, um mich in Sprachen und Hauswirtschaft weiter zu bilden. Nach vollendetem 18. Lebensjahr besuchte ich das christliche soziale Frauenseminar in Hamburg. Nach abgelegtem Examen verbrachte ich die dazu nötige praktische Lehrzeit im Johannisstift in Spandau. In Folge der Nachkriegsereignisse musste ich 1920 dort leider meine Tätigkeit aufgeben. Nach einem Jahr Haushaltsarbeit in einem großen Kinderheim übernahm ich dann die Leitung eines Kinderhortes in Harburg. Diese Stellung sagte mir jedoch auf die Dauer nicht zu, und so bewarb ich mich im Juli 1923 in die Schwesternschaft der Provinzial-Heilanstalt in Schleswig ein.
Nach halb-jährlicher Tätigkeit dort wurde ich von meinem Mutterhaus im Februar 1924 zur weiteren Ausbildung ins Städtische Krankenhaus nach Harburg geschickt. Da ich mich jedoch bei der Pflege von Lungenkranken infiziert hatte, begann gleich nach dem von mir im Juni 1925 abgelegtem Krankenpflege Staatsexamen, für 8 Wochen mein erst Kur im Sanatoriumsheim in Bad Kleinen bei Schwerin. Unserer Verpflichtung gemäß arbeitete ich nach abgelegtem Krankenhauspflegeexamen noch weiterhin für einige Zeit als Schwester in der Provinzial Heilanstalt in Neustadt. Da es mein Ziel war, später einmal Oberschwester in einem Nervensanatorium zu werden, bewarb ich mich nach Kiel, um dort an der Universitätsnervenklinik meine Prüfung für Psychatrie und Neurologie abzulegen.
Nachdem ich dann wegen meines Lungenleidens die 2. Kur, 5 Monate Liegekur im Lungensanatorium Justenburg bei Harburg, begonnen hatte, verbrachte ich die letzten 3 Jahre meiner Schwesterntätigkeit in der Universitäts-Nervenklinik in Leipzig, um dort einen Einblick in die operative Behandlung von Gehirntumoren zu erhalten. Als ich dann im 3. Jahr für zehn Wochen im Lungensanatorium Hohegeiß im Hochharz antrat, gab ich meine Schwesternarbeit in Leipzig auf.
Im Dezember 1933 heiratete ich in Kiel den kaufmännischen Angestellten Willy Knust, am 6.3.1936 wurde mein Sohn Horst geboren.
Mein Mann starb am 3.3.1940 ganz plötzlich am Gehirnschlag. Er war seinerzeit als Unteroffizier auf dem Wehrbereichskommando in Kiel tätig. Da jedoch keinerlei Kriegseinwirkungen vorlagen und der Tod meines Mannes in der Wohnung eintrat, wurde danach ein Rentenantrag vom Versorgungsamt abgelehnt.
Ich erhalte ab 1.April 1940 eine Witwenrente aus der Angestelltenversicherung z. Zt. monatlich 58,50 DM. Mein Sohn wurde in Kiel aus der 10. Klasse der Mittelschule leider ohne Abschluss entlassen. Daher war es schwer, dort für ihn eine Lehrstelle zu finden.
So entschloss ich mich, da ich erkrankte(?), Mitte Juli des Jahres meine Wohnung von Kiel nach Flensburg zu tauschen.
Johanna Knust geb. Heimer
Santoscham Thekla Johanna Heimer
Mein Lebenslauf (Abschrift vom Sohn):Ich, Santoscham Thekla Johanna Heimer wurde am 24. September 1900 als Tochter des früheren Missionars Richard Heimer und seiner verstorbenen Ehefrau Thekla geb. Martin in Pudukottah (Vorder-Indien) geboren. Nach Deutschland zurückgekehrt, übernahm mein Vater eine Pfarrstelle in Ruppersdorf, später in Grossaga (Thüringen), wo ich einen großen Teil meiner Kindheit und Schulzeit verbrachte. Im 9. Lebensjahr verlor ich meine Mutter durch Lungenentzündung. Nach der späteren Wiederverheiratung meines Vaters zogen meine Eltern 1914 nach Arnis/Schlei in Schleswig-Holstein. Hier wurde ich 1915 durch meinen Vater konfirmiert. Etwas später weilte ich ungefähr ein Jahr in einem Pensionat in Malente-Gremsmühlen. Nach vollendetem 18. Lebensjahr besuchte ich das christlich soziale Frauenseminar in Hamburg, um mich der Inneren Mission widmen zu können. Nach abgelegtem Examen verbrachte ich die hierzu erforderliche praktische Ausbildung im Johannisstift in Spandau, woselbst ich im Säuglingsheim und auch in Knaben- und Mädchenfamilien arbeitete. An diese einjährige Tätigkeit schloss sich dann eine längere Ausbildung im Haushalt in einem größeren Kinder- und Waisenheim in Sundacker/Schlei an. Mit 21 Jahren übernahm ich für einige Zeit die Leitung eines Kinderhortes in Harburg/Elbe. Es folgten dann später anschließende Tätigkeiten im Haushalt, erst in einem größerem Landpastorat in Pommern und dann bei einer einzelnen Dame in Kiel.
Im Juli 1923 trat ich in die Schwesternschaft der Provinzial-Nerven-Heil- und Pflegeanstalt in Schleswig ein, um durch den Dienst am Kranken meinem Leben wertvollen Inhalt zu geben.
Nach 1 1/2 jähriger Tätigkeit in der Nervenheilanstalt Schleswig wurde ich von meinem Mutterhaus zur weiteren Ausbildung und zwecks Ablegung des Krankenpflegeexamens in das städtische Krankenhaus nach Harburg/Elbe geschickt.
Von hier aus kam ich nach bestandenem Examen nach Neustadt (Holstein), wo ich in der Provinzial-Irrenanstalt bis Ende 1926 tätig war.
Im Dezember 1926 wurde ich Schwester in der Universitätsklinik zu Kiel, um hier an einem psychatrischen Kurs teil zu nehmen.
Nach bestandener Prüfung verblieb ich in dieser Klinik als Stationsschwester bis heute.
Verlauf einer Ferienreise vor über 100 Jahren:Erzählung von zwei Kindern, die 1912 mit ihrem Vater eine 14-tägige Ferienreise im Erzgebirge unternehmen.
Die beiden Geschwister Thamby und Hanna waren bei der Ferienreise und bei dem Schreiben des Ferien-Tagebuches 13 bzw. 12 Jahre alt.
Das handgeschriebene Büchlein der Ferienreise wurde der Stiefmutter zum Geburtstag geschenkt.
Durch die ausführliche Beschreibung der beiden Kinder ist ein schöner Vergleich zu heutigen Ferienreisen möglich.
Personen in der Reisebeschreibung:
Die beiden Kinder (Schreiber des Tagebuches):
Thamby = Martin Richard Heimer, * 07.08.1899 in Pudukotah/Indien, † 12.03.1968 in Flensburg,
Hanna = Santoscham Thekla Johanna Heimer, * 24.09.1900 in Pudukotah/Indien, † 22.09.1982 in Flensburg.
Der Vater:
Franz Richard Heimer, Pfarrer in Arnis/Schlei und Tolk, Missionar in Ost-Indien (1895 bis 1903), * 29.09.1871 in Zschopau, † 15.05.1936 in Wernigerode.
oo I 12.10.1898 in Cuddalore/Insel Madras/Ostindien mit Thekla Klara Martin, * 02.04.1872 in Hilmersdorf/Heinzewaldmühle/Amt Wolkenstein, † 25.03.1909 in Großaga.
oo II 18.10.1910 in Glücksburg mit Frieda Carolina Jessen (Stiefmutter), * 07.09.1878 in Braderup/Nordfriesland, † 12.01.1960 in Nassau/Lahn.
Pate von Hanna (s. 01. Aug. 1912):
Carl Friedrich Helbig, Pfarrer in Gröbern b. Meißen, Sachsen, Gröbern Nr. 27, * 19.01.1858 in Geyer/Kgr. Sachsen, † 08.10.1937 in Lommatzsch, oo mit Selma Rosa Weigert.
Patenkinder: 1) Santoscham Thekla Johanna Heimer, Krankenschwester, * 24.09.1900
Marie (s. 2.+3. Aug. 1912):
Maria Johanna Martin, Kontoristin in Chemnitz/Sachsen, * 09.09.1897 in Chemnitz (Tochter der nachstehenden Eltern)
Großeltern in Chemnitz (s. 2. Aug. 1912):
Friedrich Hermann Martin, Müller in Hilmersdorf, in der Heinzewaldmühle, Zeugarbeiter, Bäcker, * 04.01.1844 in Hennersdorf b. Flöha, † 26.11.1912 in Chemnitz
ooII. 21.04.1883 in Lengefeld/Erzgebirge mit Clara Emma Zieps, * 26.01.1854 in Dresden, † 09.11.1935 in Chemnitz.
s.a. Buch von Hermann Skolle: "Die Brettmühl im Heinzewald".
Oberpfarrer Lesch in Frankenberg (s. 3. Aug. 1912):
= Patenonkel von Richard Heimer [Kekule Nr. 10]
Die Personen sind zu Niklas Alexander Martensen *2011 [Kekule Nr. 1]:
Thamby [Kekule Nr. 10], der Vater [Kekule Nr. 20]. Der Patenonkel von Hanna = Pfarrer Helbig in Gröbern > ist ein Urenkel von August Friedrich Helbig [Kekule Nr. 174], Mühlenbesitzer der Heinzewaldmühle bei Wolkenstein (heute ein Talsperrensee).
Großvater Friedrich Hermann Martin [Kekule Nr. 42], früher Müller in der Heinzewaldmühle.
VorwortDieses Buch umfasst die ganze Reisebeschreibung mit Gedichten und einzelnen Erzählungen.
Es wurde der Mutter zum Geburtstage geschenkt von Thamby und Hanna. Die Karten gehören zu dem betreffenden Stück, wovon erzählt wird.
Großaga, den 27. August 1912
Bild: Verlauf der Ferienreise |
Unsere FerienreiseMontag, den 22. Juli 1912Es war Montag früh ¾ 6 Uhr, da standen wir alle drei, Vater, Hanna und Thamby reisefertig da. Wir nahmen von allen Abschied und dann ging es fröhlich fort.
Zuerst liefen wir nach Langenberg zum Zuge. Wir stiegen ein und fuhren nach Gera. Hier mussten wir in den D-Zug umsteigen, der über Wünschendorf ging .Der Zug war sehr voll und alle Plätze waren besetzt. Wir mussten also im Gang stehen. In Wünschendorf stiegen wir aus und stiegen in den Wersauer Zug ein und fuhren bis Zwickau. Hier stiegen wir aus, um die Stadt anzusehen. Zuerst gingen wir zum Schwanenteich, vorher aber hatten wir uns Brötchen gekauft, die wir gemütlich auf einer Bank verzehrten.
Der Schwanenteich ist sehr groß, viele Schwäne und Enten sind darauf. Er wird von schönen Anlagen umgrenzt. Viele Leute vergnügten sich mit Bootfahren. Nachdem wir uns lange ausgeruht hatten, schritten wir wieder der Stadt zu. Hier sahen wir uns die Schaufenster an, am meisten interessierten uns die Spielwarenschaufenster. Wir kamen auch zur Marienkirche und gingen hinein, denn sie war gerade auf. Sie war früher katholisch, jetzt aber evangelisch. Das Innere der Kirche war schön. Alle katholischen Gebräuche, wie Beichtstühle und die vielen Altäre waren nicht mehr vorhanden. Nun mussten wir aber Zwickau wieder verlassen und fuhren nach Stein-Hartenstein. Von Stein aus sahen wir das Schloss von Hartenstein, welches dem Grafen von Hartenstein gehört. Wir gingen auf einem Wanderweg nach der Prinzenhöhle, und trafen auch noch viele andere Wanderer, die zu dieser berühmten Höhle wollten. Ehe wir zu dieser berühmten Höhle kamen, stießen wir auf ein Gasthaus, Forsthaus genannt. Von hieraus hatten wir einen wunderschönen Blick auf die nächstgelegenen Berge und über das ganze Muldetal. Wir stärkten uns zum Aufstieg, dann ging es die vielen Stufen hinauf zur Höhle. Die Beine taten uns recht weh, als wir oben angekommen waren.
Vor uns sahen wir nun große Felsblöcke, und im inneren dieser Felsblöcke war eine große Höhle. Der Eingang dieser Höhle war breit, aber je mehr man hineinging, desto schmäler wurde der Gang. Zuletzt musste man ganz schief gehen, wenn man noch weiter hinein sich wagte. Am Ende dieser Höhle aber war sie wieder breit. Sie eignet sich gut zu einem Versteck. Hier wurde im Jahre 1455 Prinz Ernst drei Tage vor den Rittern von Mosen und Schönfeld gefangen gehalten. Nachdem das ganze Land alarmiert worden war, wurde Prinz Ernst von dem Grafen von Hartenstein befreit.
Dann gingen wir einen schönen Waldweg hinab, der überhaupt als Weg gar nicht bezeichnet werden kann. Wir dachten erst, dass dieser Weg der richtige sei, auf den wir gestoßen waren, aber wir irrten uns, denn dieser Weg war nur ein "Holzweg". Also mussten wir wieder umkehren, und als wir auf dem rechten Weg angekommen waren, ging es mit Gesang in den Wald hinein. Wir mussten zwar jetzt Bergsteigen, aber wir trösteten uns, denn oben wollten wir uns lagern. Als wir oben angekommen waren suchten wir einen Platz zur Rast. Wir hatten uns einen sehr schönen Platz gewählt, etwas abseits vom Wege und hatten auch noch eine schöne Aussicht. Wir breiteten unsere Pelerinen aus und legten uns darauf. Jetzt wurde unser Proviantrucksack aufgemacht, unsere Mahlzeit, Brot und Wurst, schmeckte uns vortrefflich. Nach einer Rast von ungefähr einer 3/4Stunde brachen wir wieder auf.
Bald waren wir nach Schlema, zunächst nach Niederschlema einem langgestrecktem Dorf, mit Fabriken und schönen Villen gekommen. Gleich daran schließt sich Oberschlema an.
Hier kehrten wir in einem Restaurant ein und ließen uns von der alten Wirtin ein Glas Bier geben. Bei der Zahlung frug Vater sie, ob man hier übernachten könne, aber es tat ihr leid, denn alle Zimmer waren schon besetzt. Also mussten wir weiter ziehen und uns ein anderes suchen. Wir sahen auch bald einen Gasthof. Er hieß "Zur grünen Wiese". Hier frugen wir auch und zu unserem Trost bekamen wir auch ein Zimmer. Es war ein schönes freundliches Zimmer mit 2 Fenstern, in welchem wir es uns recht gemütlich machten. Dann, als wir uns gestärkt hatten, gingen wir ohne Rucksack auf den Glensberg 585 Meter hoch. Wir tranken oben angekommen ein Glas Bier und schrieben eine Karte nach Hause. Dann lösten wir uns Eintrittskarten in den Turm und stiegen die Wendeltreppe hinauf. Oben war es sehr windig, und wir mussten deshalb unsere Pelerinen anziehen. Wir hatten einen wunderbaren Blick über die ganzen Berge und über die Stadt Schneeberg. Auch sahen wir von hier aus Auersberg, weit in der Ferne liegen, welcher morgen unser Endziel werden sollte. Nun stiegen wir wieder herab vom Turm und auch vom Glensberg. In unserem Gasthaus angekommen aßen wir Abendbrot, was uns sehr gut schmeckte. Dann gingen wir, müde von dieser ersten Wanderung, ins Bett. Wir sind heute über sechs Stunden gelaufen.
Rätsel:
Müde wird man davon
Gut schlafen tut man davon
Das Essen schmeckt dann vortrefflich!
Rate einmal! > (das Wandern)
Bild: Originaltagebuch Reisebeginn |
Dienstag, den 23. Juli 1912Wohlgemut wanderten wir fröhlich früh ½ 7Uhr vom Gasthof "Zur grünen Wiese" ab. Lang streckte sich Oberschlema hin. Vor uns sahen wir die alte Bergkirche von Schneeberg. Um 7 Uhr kamen wir in Schneeberg an. Leider war die Bergkirche zu. Einen Tag vorher fand hier ein großes Bergmannsfest statt. Da zogen die Bergleute mit Musik zur Kirche und hatten darauf einen großen Umzug durch die Stadt gemacht. Als wir auf den Markt kamen, machte uns ein Mann auf das Hungermännchen, welches in einem Erker eines großen Hauses stand, aufmerksam. Dieses Männchen trug ein Brot in der Hand, das soll bedeuten, dass dieses große Haus früher, in einer großen Hungersnot, um ein Brot willen, verschenkt worden sei.
An Schneeberg schließt sich sofort Neustädtel an. Wir kauften ein Brot und Wurst und wanderten durch Neustädtel hindurch, dem Filptief zu. Auch sahen wir verschiedene Bergwerke mit den großen Halden und dem Huthause, letzteres ist ein Haus, wo die Bergleute ihre Gebete abhalten. Hier fahren die Bergleute mit Fahrstühlen hinab in den Schacht. Im Huthause ist eine Glocke angebracht, welche nach bestimmten Zeiten läutet, bleibt aber das Läuten einmal aus, ist unten im Schachte ein Unglück passiert, und die im Huthause wachenden Bergleute fuhren nun mit allen möglichen Rettungssachen hinab in den Schacht. An den Halden sammelten wir uns Steine, und wir hätten einen ganzen Wagen mitnehmen können, so schön waren sie. Nun kamen wir an den Filptief, in welchem ein Kanal, der aus den Bergwerken kommt, mündet. In einem Wirtshause aßen wir unser Brot und Wurst und tranken Bier dazu.
Auf dem Bergmannsstieg wanderten wir dem Orte Zscharlau zu. Zscharlau ist ein ziemlich großes Dorf, hier war früher Vater oft gewesen. In einem Gasthause stärkten wir uns, und dann marschierten wir durch das Dorf hindurch nach Burkhardtsgrün. Am Ende des Dorfes sahen wir zum ersten Mal Frauen und Mädchen Klöppeln. Wir sahen hier lange zu, denn das war sehr interessant. Es wurden Spitzen und Kragen geklöppelt, die dann in alle Welt verschickt wurden. Die Frau, die diese Arbeit eingeführt hatte, hieß Barbara Uttmann. Heiß brannte die Sonne als wir drei Wandervögel die Straße nach Burkhardtsgrün hinaufzogen. Es war sehr schwül. Erschöpft schlugen wir im Walde ein Lager auf. Wir warfen die Rucksäcke beiseite, zogen die Jacken aus, rissen den Kragen runter und warfen uns auf unsere Pelerinen.
Während unserer Reise wurde Bruder Thamby zum "Obermundschenk" ernannt, der uns oft mit einem kühlen Trank erfrischte. Schwester Hanna dagegen tat in das Wasser Himbeersaft.
Wurst und Semmeln verzehrten wir mit gutem Appetit. Doch weiter müssen wir wandern. Die Rucksäcke übergeschnallt, ging es durch Burkhardtsgrün auf schöner Straße dem Orte Blauenthal zu. Des Weges daher kam auf seinem Motorrade ein wanderlustiger Unbekannter.
"Geht der Weg nach Schwarzenberg" - "Ja" antworteten wir ihm. Aber wir wussten es nicht, und als wir später erfuhren, liegt Schwarzenberg auf der ganz entgegengesetzten Richtung.
In der Sommerfrische Blauenthal erfrischten wir uns mit Weißbier Zitronenscheiben. Unser Ziel war der Auerbach. An Zimmersacher vorbei ging es in den Wald hinein.
Ein dicker Leipziger mit Frau und Kind wollte auch auf den Auerberge. Auf seiner Mundharmonika blies er lustige Weisen, und wir sollten dazu singen. Touristen, welche vom Auerberge herunterkamen, sagten, dass es ein sehr beschwerlicher Aufstieg sei. Drohende Wolken zogen hinter uns her, sollten wir weiter oder nicht? Es kamen einzelne Tropfen, da kehrten wir um, aber auf einmal goss es in Strömen. Unter einem Baum, wo schon Pilzsucher standen, suchten wir Schutz. Der Wald war in dichten Nebel gehüllt und das Wasser rann von den Bergen. Wir machten dann kehrt und ließen den Auerberge im Stich und wanderten lieber nach Eibenstock. Im "Englischen Hof" fanden wir Unterkunft. Wir wuschen unsere Wäsche, wuschen uns und machten uns wieder schön. Nach dem wir Abendbrot gegessen hatten, besahen wir uns die Stadt. Perlen und Seidenstickerei ist hier die größte Beschäftigung. Vor dem schlossähnlichem Rathause, machten wir auf einer Bank kurze Rast. Wir gingen bald zu Bette. Während Vater noch ein Glas Bier trank, wurde er von vielen Leuten, als Bürgermeister von Eibenstock gehalten.
Mittwoch ,den 27. Juli 1912Früh 7 Uhr wanderten wir lustig von Eibenstock ab, unser Ziel war Platten. Zunächst kamen wir nach Carlsfeld. Hier ist eine runde Kirche zu sehen. Wir gingen hinein. Die Kanzel war schön verziert. Alles andere war sehr einfach. Wir gingen wieder hinaus und marschierten einen großen Berg hinauf nach Weiterswiese. In Weiterswiese angekommen gingen wir in einen Gasthof. Und ließen uns Bier und Würstchen geben. Dann gingen wir ohne Rucksack nach dem Kranichsee. Aber wie täuschten wir uns, als wir statt einem See ein großes Moor vor uns sahen. Wir mussten auf Holzbohlen bis zum Aussichtsgerüst laufen. Vom Gerüst aus kann man das ganze große Moor übersehen. Zwergkiefern und niedriges Gestrüpp. Was man Kienholz nennt, wächst bloß darauf. Wir liefen noch ein Stück weiter hinein und mussten sehr vorsichtig sein, denn je weiter man hineingeht, desto mehr sinkt man ein. Dann liefen wir wieder zurück nach Winterswiese, holten unsere Rucksäcke und marschierten nach Wintersglashütte (Eibenstock). Hier angelangt kamen wir vom Wege ab, und mussten erst einen Straßenwärter fragen, der uns auf den richtigen Weg brachte. Wir kamen ins Tal hinab, aber dann mussten wir eine steile Waldschneise übersteigen, wobei wir sehr ängstlich waren. Als wir die ersten Häuser von Oberwiesental sahen machten wir im Walde an einem Bächlein Rast. Thamby saß am Bache und machte den Mundschenk. Hanna aber mischte das Wasser mit Himbeersaft und gab uns Brot und Wurst zu essen, was uns sehr gut schmeckte. Als wir uns gestärkt und lange ausgeruht hatten, brachen wir wieder auf und wanderten durch Steinbach hindurch nach Johanngeorgenstadt. Ungefähr um 3 Uhr kamen wir hier an. Hier war ein schönes ganz neu erbautes Rathaus. Auf dem Marktplatz stand das Denkmal von Kurfürst Johann Georg, nach welchem die Stadt genannt wurde, weil er die ausgetriebenen Protestanten in Schutz nahm.
Die Inschrift auf dem Schild war folgende: "Hilf, Heilige Gotti, wir hätten denken sollen, das in solcher Wildnis und Stöcken, noch sollte ein Gedächtnis unsres löblichen Kurfürsten gestiftet werden".
Auf einer alten Postsäule war noch zu sehen, auf welcher die Ortschaften bezeichnet waren, wohin früher die Postkutsche fahren musste. Dann sahen wir uns noch die Kirche an.
Nachdem wir uns Johanngeorgenstadt schön angesehen hatten, gingen wir an die Grenze und überschritten sie. In voller Erwartung, dass uns unsere Rucksäcke durchsucht würden, kamen wir an die Grenze. Wir sahen zwar einen österreichischen Zollbeamten, aber dieser rauchte gemütlich seine Pfeife und bekümmerte sich gar nicht um uns. Rüstig schritten wir weiter, denn ehe wir aus dieser Gegend fortgingen mussten wir doch einmal in der berühmten Dorfschenke gewesen sein. Die Dorfschänke ist ein schönes und vielbesuchtes Gasthaus, mitten im Walde gelegen. Hier gibt es gutes Essen, österreichisches Bier und die langen, Österreichischen Zigarren. Von der Dorfschänke haben wir eine schöne Karte mitgenommen. Dann zogen wir durch Breitenbach hindurch nach Platten. Wir bekamen im Gasthaus "Zum blauen Stern" ein sehr schönes Zimmer, wo es uns sehr gut gefiel. Wir machten es uns nun sehr bequem, wuschen und kämmten uns, putzten unsere Schuhe und zogen frische Wäsche an. Als wir ausgeruht hatten, gingen wir in die Gaststätte, um Abendbrot zu essen, dann begaben wir uns in die Stadt. Uns fielen nun die fremdartigen Benennungen für Handwerker auf, so z. B. der Klempner heißt Spengler, der Fleischer Selcher und noch andere Benennungen. Fast an jeder Straßenecke stand ein Heiligenbild auf welchem entweder Getreide oder Blumen gelegt worden war. Auch die Heuwagen sind hier viel länger als zu Hause. Das Getreide oder das Heu wird als Bündel auf den Wagen gegeben. Und wenn sie zu Hause angekommen sind wird eine Leine vom Heuboden aus auf einem Rädchen heruntergeschickt und unten wird das Bündel mit der Leine befestigt und sodann hinaufgezogen. Nachdem wir uns diese Stadt angesehen hatten, gingen wir wieder "Zum blauen Stern" zurück. Vater blieb noch in der Gaststätte um noch ein Glas Bier zu trinken, wir dagegen guckten noch ein bisschen zum Fenster hinaus, bis es dunkelte, dann begaben wir uns zu Bett. Denn wir waren von der weiten Tour, die wir heute zurückgelegt hatten, sehr müde geworden. Unser Marsch ist heute 32 km über 7 Stunden gewesen.
Unser Lagerungsfleck von Richard Heimer:
Hier im Walde unter Bäumen
Auf einem kleinen Rasenfleck
Neben dem kleinen kurzen Bächlein
Schlugen wir auf unseren Lagerungsfleck.
Donnerstag, den 25 Juli 1912Am nächsten Morgen besuchten wir die katholische Kirche. Es war gerade Messe. Da kamen die Leute und beteten die Heiligenbilder an. Acht Altäre waren in dieser Kirche. Um acht Uhr brachen wir von Platten auf und gingen zunächst nach der Wolfsbinge. Dies ist eine große Schlucht, wo früher wahrscheinlich Wölfe gehaust haben. Dann kamen wir an die Eisziege, diese ist noch eine viel tiefere Schlucht, als die Wolfsbinge. Im Sommer ist in dieser Schlucht noch Eis zu sehen. Aus den Felsen tropft das Wasser hervor und dien Felswände sind mit Moos bedeckt und sehr schlüpfrig. Dann kehrten wir in einem Restaurant ein und erfrischten uns. Dann brachen wir auf und kamen bald nach Seifen. Hier kehrten wir in einem Gasthause ein und verzehrten Butterbrot und Käse. Dann wanderten wir über die Försterhäuser nach Gottesgab. Hier sahen wir uns den Ort und die Kirche an. Auch gingen wir in eine Weinstube und tranken österreichischen Wein. Als wir uns ausgeruht hatten, ging es nach dem Keilberg auf dem Wege hinauf kamen wir auch an den Sonnen...häusern vorbei. Ein Junge saß am Wege und klöppelte. Und wenn Leute kamen, ließ er sich Geld geben, und als wir ihn frugen, was er damit machen wollte, sagte er, dass er sich einen neuen Anzug kaufen wollte. Endlich auf dem Keilberg angekommen, stärkten wir uns. Dann bestiegen wir den "Kaiser Franz Josef Turm" und hatten eine wunderbare Aussicht. Auch ein alter Bergmann war hier mit einem mechanischen Werk, wir sahen hier, wie die Bergleute hinunter in den Schacht fahren, drinnen arbeiten und sahen auch einen Toten darinnen liegen. Vom Aussichtsturm sah man auch den Fichtelberg liegen. Sodann stiegen wir den Keilberg wieder herab, wobei unsere Beine weh taten, nach Joachimstal. Joachimstal liegt 500 Meter tiefer als der Keilberg und hier wird das Radium gefunden. Daher ist hier ein großes Kurhaus und viele Menschen gibt es hier. Dann suchten wir uns ein Quartier und fanden auch bald eins im Gasthaus "Zum weißen Huf". Am Abend gingen wir in Joachimstal spazieren. Wir sahen uns die Annenkapelle an, wo gerade Messe war. Wir gingen müde von unserer heutigen Wanderung zurück zu unserem Gasthofe. Als wir ankamen sagte uns das Dienstmädchen, dass unsere Zimmer schon vermietet wären. Also brachen wir um ½ 10 Uhr ohne Rucksack auf, um ein Zimmer zu suchen. Aber überall war entweder schon alles besetzt oder die Türen waren schon verschlossen. Wir kehrten also missmutig wieder zurück. Nun führte uns das Dienstmädchen durch einen großen Saal, in dem die Kinder von den Wirtsleuten schliefen, in ein Zimmer, das ohne allen Anstand war. Hüte lagen herum, Kleider hingen an den Wänden, alte Kisten standen herum, Kämme, alte Bürsten, Haare, und wer weiß was noch alles, wir mussten mit dem Zimmer vorlieb nehmen und zornig stiegen wir ins Bett. Aber als wir drinnen waren, juckte es uns überall und wir konnten gar nicht fertig werden, zu kratzen.
Freitag, den 26. Juli 1912Früh ½ 7 Uhr gingen wir nach dem Bahnhof und fuhren zum ersten Mal in einem österreichischem Zug nach Karlsbad.
In Karlsbad kamen wir auf einem großen Bahnhof an. Dann begaben wir uns in die Stadt, wo wir viel Leben und Treiben sahen. Viel fremde Uniformen und Sprachen hörten wir reden. Sehr viele feine Hotels waren da, viele Juden sahen wir, die in ihren langen Mänteln und Bärten leicht zu erkennen sind. Wir kauften uns einen Becher und gingen nach dem Kurhause.
Hier sahen wir große Wandelhallen, in welchen viele warme Quellen hervorsprudelten. Wir versuchten auch dieses Wasser zu trinken, aber es schmeckte uns nicht, da es einen sehr salzigen Geschmack hatte. Dann begaben wir uns nach dem großen Sprudel, welcher als ein mächtiger Strahl aus der Erde kommt und er geht oft bis zur Decke der hohen Halle hinauf. An diesem Sprudel werden die Badegäste von Brunnenmädchen bedient. Wir gingen wieder zurück in die Mitte der Stadt und aßen in einem Restaurant Mittag. Auch gingen wir in den Stadtpark, wo viele Menschen spazieren gingen. Um 5 Uhr fuhren wir wieder weg von Karlsbad nach Komotav. Wir übernachteten im Gasthof "Zum Baum". Wir hatten einen komischen Wirt, welcher manchmal ganz komische Sachen sagte.
So z. B. als wir Abendbrot aßen kamen einige Soldaten herein in die Gaststube, da sagte er:
"Ja, bei mir verkehren sogar Militärsoldaten". Als wir Abendbrot gegessen hatten gingen wir aus, den Ort zu besuchen. Zuerst gingen wir nach dem Stadtpark. Da sahen wir viele Leute auf und ab laufen. Dann schritten wir auf den Marktplatz, auf diesem stand die Kaserne, die wie ein altes Gefängnis aussah, und die Kirche. Als wir uns die Stadt angesehen hatten, gingen wir wieder in unseren Gasthof zurück, wo wir uns bald ins Bett legten und einschliefen.
Karlsbad von Richard Heimer:
Paar mal Toilette wechseln
Schön geziert Phrasen dreschen
Stets in Putz und in Glace
Passt mir nicht - Weltbad ade
Doch ich pack meinen Rucksack heute
Zieh beglückt durch Wald und Flur
Lab mich lieber an der Natur.
Bild: Originaltagebuch Karlsbad |
Sonnabend, den 27. Juli 1912Am anderen Morgen hatten wir bis 1/2 9 Uhr geschlafen. Wir packten unsere Sachen wieder zusammen und gingen auf den Bahnhof, wo wir Kaffee tranken. Und fuhren dann nach Teplitz. Teplitz ist eine schöne Stadt, ein Schloss mit einem Schlosspark ist auch hier. Dann fuhren wir nach dem berühmten Wallfahrtsort Mariaschein. Hier gingen wir vom Bahnhof aus einen langweiligen Weg zum Orte hinein. Unser Ziel war hier zuerst nach dem Kloster und nach der Kirche gerichtet. Mitten im Hofe des Klosters steht die Wallfahrtskirche mit den vielen schönen Altären und Beichtstühlen. Auf dem Hauptaltar steht das Gnadenbild der Maria .Auch die Kreuzgänge sind hier mit vielen, schönen Wandgemälden und kleinen Kapellen. Im Hofe kam eine Quelle hervor, die schön eingefasst war, der Marienbrunnen. Wer aus dieser Quelle trank, soll gesund werden. Wir besahen uns den Ort und gingen nach dem Bahnhofe, und fuhren nach Aussig. Wir liefen durch die Stadt, zu den Dampfschiffen.
Wir waren sehr erfreut mit dem Dampfschiff zu fahren. Wir fuhren nun über 2 Stunden nach Tetschen-Bodenbach. Wir übernachteten im Touristenheim zu Tetschen. Wir bekamen ein schönes freundliches Zimmer und machten es uns sehr bequem. Dann aßen wir Abendbrot und sahen uns Tetschen an. Um 9 Uhr gingen wir zu Bett.
Sonntag, den 28. Juli 1912Heute hatten wir bis um 8 Uhr geschlafen. Wir zogen uns an, und gingen dann über die Elbbrücke nach Bodenbach, um den Gottesdienst zu besuchen. Um 11 Uhr war er zu Ende, wir besahen uns die Stadt. Ein Gasthaus lag auf einer hohen Felswand, die Schieferwand genannt wird. Dann gingen wir nach dem Bahnhof und fuhren nach Königswald. Es war sehr heiß geworden als wir uns auf dem Weg nach Tisa befanden. Viele Leute gingen mit uns nach Tisa, denn hier war gerade Annenfest. Da war nun viel Leben und Treiben, Karussells und Buden waren da, ein Mann schrie seine sauren Gurken aus und dieses alles war um die Kirche herum gebaut. Wir waren sehr durstig geworden und stärkten uns daher mit Limonade.
Auch gingen wir in die Kirche, diese war schön geschmückt und viele Leute knieten vor den Altären. Dann stiegen wir zu den Tisauer Wänden hinauf, das waren hohe Felsenwände, die ganz schroff hinunter gingen. Wir marschierten nun nach dem hohen Schneeberg. Oben stand ein Wirtshaus, wo wir uns erfrischten. Wir hatten einen sehr schönen Blick über die ganze Gegend, auch sahen wir ganz in Nebel gehüllt das Riesengebirge. Dann stiegen wir unter Sang und Klang wieder herab nach Tetschen-Bodenbach. Wir aßen Abendbrot und gingen dann zu Bett, denn wir mussten am nächsten Tag sehr früh aufstehen.
Montag, den 29. Juli 1912Wir standen um ¾ 6 Uhr auf, tranken Kaffee und gingen dann zu den Dampfschiffen und fuhren nach Herrenkretschen. Das Wetter war sehr unfreundlich. Wir sahen nun die Sächsisch Böhmische Schweiz mit ihren vielen hohen Felsen. In Herrenkretschen angekommen gingen wir nach der Edenusklamm. Aber unterwegs kam ein starker Gewitterregen und wir gingen schleunigst wieder zurück und kehrten in dem nächsten Gasthaus ein. Als der Regen vorüber war, mussten wir uns wieder nach der Edenusklamm aufmachen. Wir lösten uns Billets zur Kahnfahrt und kamen an brausenden Wasserfällen vorbei, durch Höhlen hindurch, endlich zu den Kähnen. Hanna wollte am liebsten gar nicht mitfahren, aber sie fasste doch noch Mut und stieg mit hinein. Nun fuhren wir schön ruhig durch die Felsenklüfte hindurch und kamen auch an den künstlichen Wasserfall. Unser Bootsführer zog an einer Leine, welche am Felsen angebunden war, da hörten wir ein Brausen herannahen und auf einmal kam der Wasserfall heruntergestürzt. Wir fuhren auf den Kähnen wieder zurück und ließen uns nach dem Bahnhof übersetzen. Auf dem Bahnhof aßen wir Mittag und warteten bis ein Schiff kam. Endlich kam auch eins. Wir stiegen ein und fuhren nach Dresden. Unterwegs sahen wir so manches schöne, z. B. die Festung Königsstein, die sehr hoch liegt. Weiter sahen wir in Selitz das königliche Lustschloss, welches mit sehr schönen Anlagen umgeben ist und direkt an der Elbe liegt, wo eine schöne Treppe hinunter führt. In Hosterwitz sahen wir das Schloss des Prinzen Johann Georg. Nach 4 Stunden Fahrt landeten wir in Dresden. Hier sahen wir viele Schiffe, große und kleine, Schwimmanstalten viel Verkehr und noch anderes. Wir suchten uns ein Hotel, wir fanden auch bald eins in der kleinen Lüdergasse, "Forsthaus" genannt. Wir legten unsere Rucksäcke ab und gingen auf die Post, um zu sehen ob ein Paket von zu Hause da wäre. Ein Paket war da, aber der Beamte wollte es uns nicht herausgeben, weil wir keinen Nachweis hatten. Er ließ das Paket aufmachen, und als er sah, dass bloß Wäsche darin war, war er zufrieden. Wir schafften es nach Hause und hier in unserem Zimmer angekommen fing der Vater an auszupacken. Obendrauf lagen Kleider, Wäsche, Kragen und anderes auch eine große Tafel Schokolade war mitgeschickt worden. Dann gingen wir in die Stadt, schauten uns die Schaufenster an, kehrten auch einmal im Automaten ein und schlenderten dann langsam wieder zurück. Wir machten es uns bequem, sahen zum Fenster heraus und verzehrten unsere Schokolade. Vater dagegen ging ins Theater. Als es dunkel geworden war, gingen wir ins Bett und dachten über den heutigen Tag nach.
Bild: Originaltagebuch Dresden |
Dienstag, den 30. Juli 1912Um 1/2 9 standen wir auf, wir hatten wieder einmal wunderbar geschlafen, tranken Kaffee, und gingen in die Stadt. Wir sahen nun uns die Hofkirche an. Es waren drei schöne Altäre da.
Dann suchten wir einen Haarschneider auf und ließen uns unsere Haare schneiden. Als es fertig war, gingen wir in die große evangelische Kirche. Dann warteten wir auf eine Straßenbahn und fuhren nach "Weißen Hirsch". Hier war ein großes Kurhaus mit einem großen Park, wo viele vornehme Leute als Gäste weilten. Wir suchten nach der Schwebebahn, aber wir fanden sie nicht und gingen dann nach der Drahtseilbahn und fuhren hinunter. Als wir ein paar Schritte gegangen waren, kamen wir zur Schwebebahn, aber sie war für einige Stunden geschlossen. Wir gingen nun an den Strand und ließen uns mit einem Boot überfahren, Vater kostete 3 Pfennig, Hanna und ich je 2 Pfennig. Dresden zerfällt in 2 Teile, Altstadt und Neustadt. Wir liefen nun an der Elbe entlang, am Vogelschießplatz vorbei nach Dresden hinein. Am Mittag wollten wir am Schlosse sein, denn da war Platzmusik und die Grenadiere lösten die Schützen vom Posten ab. Sehr viele Menschen hatten sich zusammengefunden, groß und klein, alt und jung. Dann gingen wir zum Automat und aßen Bratwurst und Kartoffelsalat. Es schmeckte uns vortrefflich. Wir gingen dann nach Hause und machten eine Ruhepause. ½ 3 Uhr machten wir uns wieder auf und liefen zum Zwinger, einem schönen Park gleich neben dem Schlosse gelegen. Wir gingen in das Museum, welches darinnen lag, hinein und zwar in die Gemäldegalerie. Hier sahen wir nun sehr schöne Gemälde, große und kleine von berühmten Malern. In einem Automaten aßen wir Abendbrot, russischen Salat, der uns sehr gut schmeckte. Dann begaben wir uns wieder nach Hause und machten es uns gemütlich. Vater ging wieder in die Stadt und wir schauten zum Fenster hinaus bis wir müde wurden und dann gingen wir ins Bett.
Mittwoch, den 31. Juli 1912Früh, halb 9 Uhr standen wir auf, tranken Kaffee und gingen langsam nach dem Rosengarten. Dieser ist mit prächtigen Anlagen verziert und viele ausländische Bäume sind angepflanzt worden. Mitten in dem schönen großen Garten steht ein Schloss, welches aber nicht mehr bewohnt wird, und daher als Museum verwendet wird. Hier war ein Aussichtsfenster, von wo man den ganzen Garten übersehen kann. Die Anlagen sahen gerade wie schöne Teppiche aus. Hinter dem Schloss war ein schöner Teich mit Schwänen. Dann gingen wir wieder in die Stadt zurück und aßen in einem Restaurant Mittag. Darauf begaben wir uns auf die Brühlsche Terrasse, wo Platzmusiker waren, und wir leider nur noch das letzte Lied hörten. Wir gingen wieder in unser Hotel und ruhten uns aus. Am Nachmittag zogen wir unsere neuen weißen Kleider an, um einen Besuch bei einer alten Tante zu machen.
Aber wir fanden erst gar nicht die Straße, wo sie wohnte, bis wir endlich eine Frau frugen, die uns Bescheid sagte. Als wir nun in dem beteroffenem Hause angekommen waren, klingelten wir, aber niemand hörte, wir klingelten stärker, aber auch jetzt hörte niemand. Wir warteten noch, bis zuletzt eine Frau herunter kam, die uns sagte, dass sie in der Sommerfrische sei.
Also war unser "Putz" umsonst. Wir gingen in einen Eispalast, und aßen schönes Eis. In einem Automaten aßen wir dann Abendbrot, und gingen nach Hause, wo wir uns bald zu Bette begaben.
Donnerstag, den 1. August 1912Halb 7 Uhr standen wir auf und als wir Kaffee getrunken hatten gingen wir zu den Dampfschiffen und fuhren nach Meißen. Wir stiegen hier zum Meißener Dom hinauf. Der Dom ist eine sehrgroße Kirche. Wir konnten leider nicht hineingehen, denn es wurde gebaut. Gleich daneben stand die alte Albrechtsburg. Von hier aus hatten wir einen schönen Blick und sahen den Kirchturm von Gröbern, wo wir noch hin wollten. Wir sahen uns noch die Stadt an, und liefen dann nach Gröbern, hier wohnte der Pate von Hanna. In Gröbern angekommen begaben wir uns durch den Friedhof nach der Pfarre. Sie hatten sich sehr gefreut, dass wir einmal gekommen waren. Wir mussten nun sogleich Mittag essen. Dann gingen wir in den Garten und in die Kirche. Sodann machten wir, weil es regnete, in der Stube mit Magdalena und Marianne Spiele. Als es aufgehört hatte zu regnen gingen wir noch zu anderen Verwandten, wo wir mit Kaffeetrinken sollten. Gegen Abend aßen wir wieder Abendbrot, es gab Eier, Wurst, Schinken und eingelegte Bohnen zu essen. Um 6 Uhr mussten wir wieder zurückkehren nach Meißen und fuhren über 3 Stunden zurück nach Dresden. Vor Dresden aber boten uns die Lichter einen wunderbaren Anblick. Um 10 Uhr kamen wir in Dresden in unserem Hotel an und begaben uns dann zu Bette.
Freitag, den 2. August 1912Wir standen um 8 Uhr auf, tranken Kaffee und schafften das Paket wieder auf die Post. Dann aßen wir Mittag und fuhren mit dem Zuge wieder weg von Dresden nach Freiberg. Freiberg ist eine alte Bergmannsstadt wegen der vielen Bergwerke, die in der Nähe liegen. Hier war eine große Ausstellung von Dampfmaschinen, Spielwaren, Zimmereinrichtungen, große Steinsammlungen von Erzen, Platin und noch mehr. Auch war ein Afrikanerdorf da, mit Negern. 4 große Preise waren ausgesetzt worden als Gewinn, erstens Wohnungseinrichtungen, zweitens landwirtschaftliche Sachen, drittens ein schönes Piano, viertens schöne Kutsche für 1.000 Mark. Wir kauften dann noch einen "Bauernhansen", den wir in der Bahn verzehrten und fuhren nach Chemnitz, wo uns Marie abholte, und gingen dann zu den Großeltern. Wir aßen Abendbrot, unterhielten uns und gingen dann zu Bett.
Sonnabend, den 3. August 1912Wir sahen uns früh die Stadt an und gingen zu dem Schlossteich. Als wir Mittag gegessen hatten, gingen wir mit Marie auf den Bahnhof und fuhren nach Lichtenwalde. Hier war das Schloss von dem Grafen Witztuhen mit Anlagen umgeben. In einem Gasthaus stärkten wir uns und marschierten dann nach Frankenberg. Vorher aber waren wir auf dem Harrasfelsen.
In Gunnersdorf angekommen, setzten wir Marie auf die Bahn, und liefen dann nach Frankenberg hinein. Hähemls, bei denen wir uns angemeldet hatten, aber es war niemand da. Wir suchten uns noch eine Gaststube. Wir trafen zufällig Herrn Oberpfarrer Lesch mit Frau und Sohn, die uns auf morgen einluden. Im Hotel Dresden übernachteten wir, am Abend gingen wir nach dem Vogelschießplatz und sahen uns alles an. Als wir müde waren, legten wir uns ins Bett.
Sonntag, den 4. August 1912Wir schliefen heute ziemlich lange, tranken Kaffee und sahen uns die Stadt an. Dann gingen wir in die Kirche. Nach der Kirche gingen wir auf die Post und holten eine Karte von zu Hause ab. Mittag aßen wir bei Oberpfarrer Lesch, Thambys Paten, wir mussten so sehr essen, bis wir gar nicht mehr konnten. Hanna und Lotte bekamen eine schöne Brosche aus Elfenbein. Thamby ein schönes Buch. Nach Tisch verabschiedeten wir uns und gingen zu Miliusens, wo Hanna und Thamby schliefen, Vater aber schlief bei Hähenls. Nachmittag gingen wir alle zusammen auf den Vogelschießplatz, fuhren auf der Rutschbahn und auf der Luftschaukel. Auch versuchten wir die "Ratsbuden". Thamby gewann einen Teller. Dann gingen wir wieder langsam nach unserem Heim, aßen Abendbrot und gingen zu Bett.
Montag, den 5. August 1912Frühzeitig standen wir auf, nahmen Abschied von Frankenberg und gingen auf den Friedhof.
Dann fuhren wir mit der Bahn nach Chemnitz, holten unsere Rucksäcke, und fuhren mit der Bahn nach Gera. Hier stiegen wir um und fuhren nach Langenberg. Von da aus liefen wir bis Grossaga. Angekommen aßen wir Abendbrot, erzählten uns noch etwas und gingen dann zu Bett.
Ende